Donnerstag, 22. Dezember 2005

Begegnung im Park

Ich verlasse die Wohnung meiner Nachhilfeschülerin und trete den Heimweg an. Ich liebe die Gegend dort. Sie ist sehr schön – viel Natur – viele Felder und ein paar Pferdekoppeln, an denen ich gerne vorbeigehe, um die Pferde zu streicheln.

Plötzlich ist er wieder da, der pulsierende Schmerz in meinem Kopf. Das Betäubungsmittel, das ich ein paar Stunden zuvor in meinen Nacken gespritzt bekommen habe, verliert allmählig seine Wirkung. Und in dem Maße wie die Spritze ihre Wirkung verliert, verschlimmern sich meine Schmerzen.

Ich spüre den Herzschlag in meiner Brust, meinem Hals, in meinen Ohren. Er dringt tief in meinen Kopf und hallt an meiner Schädeldecke wider. Mein ganzer Körper ein Resonanzraum - reduziert auf das Echo eines Muskels, der sich permanent zusammenzieht und wieder ausdehnt.

Es regnet. Den ganzen Tag hat es schon geregnet. Mal ein heftiger Schauer – mal ein längerer Nieselregen. Ein typisches Wetter für Mitte Dezember – kalt und nass. Ein Wetter bei dem man sich am liebsten den Tod holen möchte.

Die Dämmerung setzt langsam ein. Noch habe ich das Wohngebiet nicht verlassen und die wenigen Autos, die hier durch die engen Straßen fahren haben bereits ihre Scheinwerfer eingeschaltet. Ihre Lichter und Umrisse spiegeln sich auf der nassen Fahrbahn. Ich steuere auf einen kleinen Park zu. Ihn zu durchqueren bedeutet eine Abkürzung von ca. 5 Minuten. Auf meinem Hinweg bin ich schon hindurch gegangen. Ich will so schnell wie möglich nach Hause. Die Schmerzen sind unerträglich und ohne großes Zögern gehe ich in den Park hinein.

Der Park ist selbst am Tag nicht besonders übersichtlich. Er ist weder besonders groß noch hat er irgendetwas spektakuläres an sich. Es gibt kein Denkmal, keine Statue, die ihn schmücken könnten oder ihm irgendeine Bedeutung verleihen würden. Ein paar Grasflächen mit ein paar Bäumen und Sträuchern hinter denen man gelegentlich ein paar Kaninchen verschwinden sieht. Eigentlich wird er kaum frequentiert. Meistens trifft man hier Hundebesitzer, die mit ihren Lieblingen Gassi gehen.

Er ist nicht mehr als eine Verbindung zwischen zwei Hauptstraßen, die beide in meinen Wohnort führen. Seine engen Pfade winden sich um einzelne größere Strauch- und Baumgruppen und man weiß nie, was sich hinter der nächsten Biegung verbirgt. Die Wege sind nicht befestigt und bei solch einem Wetter braucht man festes Schuhwerk, um unbeschadet an das andere Ende zu gelangen.

Ich komme nur sehr langsam voran. Mein Kopf klopft und mein Herz rast. Jedes Mal, wenn ich einen Fuß auf den nassen lehmigen Boden setze, erfasst er mich – umschließt meine Füße - saugt sie in sich hinein. Er will sie nicht wieder freigeben. Es kostet mich all meine Kraft einen Fuß vor den anderen in diesen Matsch zu setzen, um ihm anschließend meine Füße wieder zu entreißen. Es gelingt mir kaum, die Balance zu halten.

Nach einigen Minuten bin ich im Zentrum des Parks angelangt. Mir ist schwindlig und ich merke, dass ich am ganzen Körper zittere. Der stechende Schmerz, der finstere Himmel über mir, neben mir dunkle hohe Nadelbäume – ich kann kaum noch sehen, wo ich langgehe.

Ich versuche mich zusammenzunehmen. Meine Augen konzentrieren sich auf die gewundene Wegstrecke die noch vor mir liegt. Mein Blick erreicht die nächste Baumgruppe, um die sich der Weg biegt und eine andere Richtung nimmt. Mein Blick verweilt dort. Es flimmert vor meinen Augen. Angestrengt versuche ich mir die Bäume genau anzuschauen. Etwas bewegt sich zwischen den Bäumen. Ich kann nicht genau erkennen, was es ist. Dann sehe ich eine dunkle Gestalt. Sie schiebt sich langsam aus der Baumgruppe heraus. Es ist ein Mann. Er kommt auf mich zu. Er hat einen langen dunkelgrauen Regenmantel an und hält einen Schirm in der Hand. Er kommt näher und schließlich begegnen wir uns. Er grüßt und geht an mir vorbei. Als wir noch fast auch gleicher Höhe sind, bleibt er stehen und fragt mich nach der Uhrzeit. Ich bemerke einen ost-europäischen Akzent in seiner Stimme und ich frage ihn: „Kennen wir uns nicht?“ Ich nehme meine Kapuze herunter, um ihn besser sehen zu können. Der Mann ist sehr hoch gewachsen und ziemlich kräftig. Er antwortet nicht. Er schaut mich nur an. Dann zieht er seine Hand aus der Manteltasche und streckt sie mir entgegen. Er nimmt meine Hand und hält sie fest in seiner. So stehen wir da – einige Sekunden lang. Seine Hand ist angenehm warm. Seine Stimme klingt freundlich und eigentlich scheint er recht sympathisch zu sein. Doch was dann passiert ist einfach unglaublich.

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pferd

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