Samstag, 10. September 2005

der Platz an dem ich schreibe

Der Platz, an dem ich schreibe ist ein spannender Ort, an dem über Leben und Tod entschieden wird - über Glück und Unglück. Es ist ein Ort, an dem Menschen ins Wasser fallen und ich allein darüber entscheiden kann, ob sie von Haien gefressen, von alleine ertrinken oder von einer überdimensional gut aussehenden Strandwache gerettet werden. Manche Figuren verlieben sich unsterblich ineinander und werden wenig später durch Krieg, Krankheit, Tod oder Intrigen wieder von einander getrennt.

Der Platz, an dem ich schreibe, ist der Ort, an dem das Schicksal meiner einzelnen Figuren und Charaktere bestimmt wird. Sie erleben Unglaubliches - Glück aber auch Leid in einer Intensität, die dem normalen Durchschnittsbürger vermutlich für immer verwehrt bleiben wird.

Oft bin ich grausam - ich weiß - aber ich muss es sein. Würde ich meine Charaktere nicht quälen, leiden und sterben lassen, so müssten sich eben Figuren aber auch die Leser meiner Geschichten zu Tode langweilen, oder - noch schlimmer - sie würden vor lauter Langeweile auf dumme Gedanken kommen.

Wer will schon eine Geschichte lesen, bei der alles vollkommen reibungslos abläuft, ungefähr so: Ein kleines Mädchen soll seiner Großmutter, die am anderen Ende eines großen Waldes alleine in ihrem Häuschen lebt, Gebäck und Wein bringen. Das kleine Mädchen geht durch den Wald, lauscht entzückt dem Gesang der Vögel, pflückt noch ein paar Blumen und kommt wenig später unversehrt bei der Großmutter an, die sie liebevoll in die Arme schließt.

Eine solche Geschichte ist allenfalls nett. Aber wer würde in eine Buchhandlung gehen und Geld dafür ausgeben?

Man ist auf die Wölfe, die bösen Stiefmütter, die Hexen und Zauberer angewiesen. Man braucht etwas, das die heile Welt aufs Schlimmste in Unordnung bringt und Menschen an Abgründe führt, die so zerklüftet sind, dass ihre eigene Mutter gezögert hätte, sie auf die Welt zu bringen, hätte sie jemals eine Ahnung davon gehabt.

Deshalb muss der frisch verliebte Jüngling von einer Schlange gebissen werden, mit dem Flugzeug abstürzen oder auf seinem Segelboot in ein Unwetter geraten und samt seines Bootes unwiederbringlich auf dem Meeresgrund verenden. In allen Fällen lässt er eine junge Geliebte zurück, die, wenn sie sich nicht vor lauter Gram ebenfalls in die Fluten stürzt, in ihrer Trauer um den verlorenen Geliebten ganze Seen weint, bis sie solche Ringe unter den Augen hat, dass selbst die beste Augencreme der Welt diese nicht wieder zu beseitigen vermag. In diesem Zustand ist sie natürlich vollkommen unbrauchbar, wird niemals mehr einen neuen Lebenspartner finden und mir bleibt nichts anderes übrig, als sie in ein Kloster zu stecken oder anderweitig zu beseitigen.

Doch mir selbst geht es ja auch nicht viel besser. Der Platz, an dem ich schreibe, ist nicht der Platz, an dem ich sein möchte. Es ist der Platz, an dem ich schreibe - nicht mehr und nicht weniger. Hinter dem ganzen Elend meiner Figuren steckt meine eigene erbärmiche Existenz. Denn irgendwie muss ja auch ich meine Krisen und gescheiterten Affairen bewältigen. Auch wenn unschuldige Personen dabei Schaden nehmen. Was macht das schon? Man darf die Dinge eben nicht allzu ernst nehmen. Schließlich ist es doch nur eine Geschichte - es ist doch alles nur ein Film - ein Theaterstück, das an dem Platz, an dem ich schreibe, stattfindet.
Schaeferklaus - 12. Sep, 23:27

mein Senf dazu ...

JA wie im Unterricht schon angesprochen : sehr schön geschrieben, hat mir gut gefallen. Vorallem finde ich es gut das du die vorgegbene Überschrift so kreativ umsetzen konntest. Ich persöhnlich hatte da meine Probleme mit. Freu mich auf mehr....

- dein Fischkopp -

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